Die Probezeit ist eine entscheidende Phase in jedem Arbeitsverhältnis. Sie wird oft als eine reine Bewährungszeit für den neuen Mitarbeiter wahrgenommen, dabei dient sie gleichermaßen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zur gegenseitigen Einschätzung. Für beide Seiten bietet sie die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis mit einer verkürzten Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen zu beenden. Doch die Probezeit ist mehr als nur ein „Ausprobieren auf Zeit“. Sie ist eine rechtlich klar geregelte Phase mit spezifischen Rechten und Pflichten. In diesem umfassenden Leitfaden erfahren Sie alles, was Sie über die Probezeit in Deutschland wissen müssen.
Die Probezeit ist in Deutschland gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, muss aber, falls sie vereinbart wird, explizit im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ihre gesetzliche Grundlage findet sie primär in § 622 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Dauer: Die maximale Dauer einer Probezeit ist gesetzlich auf sechs Monate begrenzt. Dies ist die gängigste Dauer und gilt als ausreichend, um die Eignung eines Mitarbeiters umfassend zu beurteilen. Eine längere Probezeit ist unwirksam. In Ausnahmefällen, wie bei sehr befristeten Arbeitsverträgen von unter zwei Jahren, kann die Probezeit unter bestimmten Bedingungen kürzer sein. Es ist auch möglich, gar keine Probezeit zu vereinbaren.
Kündigungsfrist: Das wichtigste Merkmal der Probezeit ist die verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen. Im Gegensatz zur regulären Kündigung nach der Probezeit, die oft drei oder vier Monate beträgt, ermöglicht diese Frist eine schnelle Trennung, falls sich das Arbeitsverhältnis nicht wie gewünscht entwickelt. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Frist nicht zum Monatsende oder Quartalsende, sondern zu jedem beliebigen Tag eingehalten werden muss. Die Kündigung muss dabei weder begründet noch in schriftlicher Form erfolgen.
Sonderfälle:
Befristete Arbeitsverträge: Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis von weniger als zwei Jahren kann die Probezeit entfallen, da das Arbeitsverhältnis ohnehin zeitlich begrenzt ist.
Berufsausbildungsverträge: Hier ist eine Probezeit von mindestens einem bis maximal vier Monaten gesetzlich vorgeschrieben.
Verkürzte Probezeit: Arbeitgeber können auch eine kürzere Probezeit vereinbaren, zum Beispiel drei Monate. Eine Verlängerung über das vertraglich festgelegte Ende hinaus ist nicht möglich.
Für den Arbeitgeber ist die Probezeit eine Zeit der intensiven Beobachtung und Bewertung.
Rechte:
Eignungsprüfung: Der Arbeitgeber hat das Recht, die fachliche Eignung, die Arbeitsweise und die sozialen Kompetenzen des neuen Mitarbeiters zu prüfen.
Schnelle Trennung: Bestehen Zweifel an der Eignung, kann er das Arbeitsverhältnis schnell und unkompliziert beenden. Die Kündigung muss nicht begründet werden, was den bürokratischen Aufwand minimiert.
Flexibilität: Die Probezeit gibt dem Unternehmen die Flexibilität, schnell auf eine Fehlbesetzung zu reagieren und die Position neu zu besetzen.
Pflichten:
Fairness: Der Arbeitgeber hat die Pflicht, dem Mitarbeiter eine faire Chance zu geben. Dazu gehört die Bereitstellung notwendiger Arbeitsmittel, eine gründliche Einarbeitung und die Integration in das Team.
Regelmäßiges Feedback: Obwohl rechtlich nicht vorgeschrieben, ist es im Interesse des Arbeitgebers, regelmäßiges Feedback zu geben. Der Mitarbeiter muss wissen, welche Erwartungen an ihn gestellt werden und wie er diese erfüllen kann. Ein überraschendes negatives Feedback am letzten Tag der Probezeit ist ein Zeichen schlechter Führung.
Gleichbehandlung: Der Arbeitgeber darf die Probezeit nicht missbrauchen, um Mitarbeiter zu benachteiligen oder eine Reihe von „Aushilfen“ für die gleiche Stelle zu beschäftigen.
Auch für Arbeitnehmer ist die Probezeit eine wertvolle Gelegenheit, um die richtige Wahl zu treffen.
Rechte:
Arbeitgeberbeurteilung: Der Mitarbeiter hat das gleiche Recht wie der Arbeitgeber, das Unternehmen, die Arbeitsatmosphäre, die Führungskultur und die eigenen Aufgaben zu bewerten.
Schnelle Kündigung: Falls die Stelle oder das Unternehmen nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, kann der Arbeitnehmer den Vertrag ebenfalls mit der zweiwöchigen Frist und ohne Angabe von Gründen beenden. Dies bietet eine wertvolle Flexibilität, die nach der Probezeit entfällt.
Urlaub und Krankheit: Auch während der Probezeit besteht ein Anspruch auf Urlaub. Dieser wird jedoch anteilig gewährt (1/12 des Jahresurlaubs pro vollem Monat der Betriebszugehörigkeit). Bei Krankheit hat der Arbeitnehmer nach vier Wochen Betriebszugehörigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Im Krankheitsfall verlängert sich die Probezeit nicht automatisch.
Kündigungsschutz: Besondere Kündigungsschutzgesetze, wie sie für Schwangere, Eltern in Elternzeit oder schwerbehinderte Menschen gelten, treten in der Regel sofort mit Beginn des Arbeitsverhältnisses in Kraft, unabhängig von der Probezeit. Eine Kündigung von Schwangeren ist in der Regel nur mit Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde möglich.
Eine erfolgreiche Probezeit ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von proaktivem Handeln auf beiden Seiten.
Für Arbeitnehmer:
Eigeninitiative zeigen: Fragen stellen, wenn etwas unklar ist, und neue Aufgaben proaktiv angehen.
Feedback suchen: Regelmäßig Feedback von Vorgesetzten und Kollegen einholen, um sich zu verbessern.
Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit: Diese Grundtugenden sind in der Probezeit besonders wichtig und werden genau beobachtet.
Offen für Neues sein: Die Unternehmenskultur verstehen und sich aktiv in das Team integrieren.
Für Arbeitgeber:
Klare Erwartungen formulieren: Kommunizieren Sie von Anfang an klar, was Sie vom neuen Mitarbeiter erwarten.
Regelmäßiges Feedback geben: Warten Sie nicht bis zum Ende der Probezeit. Geben Sie konstruktives Feedback und zeigen Sie, dass Ihnen die Entwicklung des Mitarbeiters wichtig ist.
Strukturierte Einarbeitung: Ein gut durchdachter Onboarding-Prozess hilft dem neuen Mitarbeiter, sich schnell zurechtzufinden.
Die Probezeit ist für beide Seiten eine faire und notwendige Phase der gegenseitigen Prüfung. Sie bietet die Chance, ohne langfristige Verpflichtungen zu beurteilen, ob die Stelle, das Unternehmen und die Zusammenarbeit passen. Ein offener Dialog, klare Erwartungen und gegenseitiger Respekt sind der Schlüssel, um diese Zeit erfolgreich zu meistern und den Grundstein für eine lange und produktive Zusammenarbeit zu legen.